Divadelní noviny Aktuální vydání 8/2024

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8/2024

ročník 33
16. 4. 2024
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    Pilsen: Ein Fest für Theaterfreunde

    Die Kulturhauptstadt Europas 2015 präsentiert beim 23. Internationalen Theaterfestival ein interessante Mischung aus tschechischen und internationalen Produktionen.

    Der neue Theaterbau. FOTO archiv

    Der neue Theaterbau. FOTO archiv

    Der neue Theaterbau, das alternative Kulturzentrum Depo (großzügig und mit Potential), die Sanierung der hübschen Altstadt mit ihren Promenaden und Cafés – das kulturelle Hauptstadtjahr hat der viertgrößte Stadt Tschechiens sehr gut getan: Das milde Licht der Spätsommertage lässt Pilsen geradezu glänzen.

    Die Stückauswahl von Jan Burian zeigt, dass man da auch beim traditionellen Pilsener Theaterfestival nicht zurückstehen wollte. Beginnen wir mit den großen Produktionen: Da gab es etwa Krzystof Warlikowskis (A)pollonia zu sehen, Thomas Ostermeiers Volksfeind, die szenischen Bearbeitung der Brüder Karamasow in der Regie von Martin Čičvák und nicht zuletzt die monumental geratene Umsetzung von Jonathan Littells umstrittenen Roman Die Wohlgesinnten durch das Slowakische Nationaltheater.

    Ein Volksfeind, von Henrik Ibsen, Regie Thomas Ostermeier. FOTO archiv

    Ein Volksfeind, von Henrik Ibsen, Regie Thomas Ostermeier. FOTO archiv

    Ostermeiers aktualisierte Fortschreibung von Ibsens gesellschaftskritischem Drama Ein Volksfeind präsentiert dem Publikum eine punktgenaue Beschreibung Berliner Verhältnisse (zumindest eines gewissen – allerdings sehr verbreiteten – intellektuellen Milieus) mit einer schon ethnographisch zu nennenden Präzision. Die weitgereiste Produktion hält übrigens auch einen demokratiepolitischen Lackmustest für das Publikum bereit, nämlich dann, wenn es vom Helden des Stückes (des Badearztes Dr. Stockmann – Christoph Gawenda als Rainald Goetz Lookalike) zur Mitarbeit und Stellungnahme aufgefordert wird. Sagen wir es so: Es wurde kurz diskutiert, dann übernahmen Ibsen/Ostermeier wieder das Wort und brachten die Geschichte zu einem sehr bedenkenswerten Ende.

    Wer die sechseinhalb-stündige Bearbeitung des Dostojewski-Romans durch Frank Castorf bei den Wiener Festwochen heil überstanden hat, schätzt sich doch sehr glücklich, wenn er das Treiben der Brüder Karamasow und ihres üblen Papas in einem erträglichen Zeitrahmen präsentiert bekommt. Die Inszenierung von Martin Čičvák lebt vom Charme des Jurai Kukura (Fjodor Karamazow). Denn wie scheußlich die Schweinerein des alten Karamazow auch immer sein mögen, diesem alternden Bonvivant verzeiht man alles, man sieht ihm einfach zu gerne zu. Das ist große Kunst, trägt den Abend und lässt die Brüder manchmal etwas blass aussehen.

    Slowakische National Theatre - FOTO archiv

    Slowakische Nationaltheater – Die Wohlgesinnten. FOTO archiv

    Die Literaturkritik hat Jonathan Littells Roman Die Wohlgesinnten als „widerwärtigen Kitsch“ (Iris Radisch in der ZEIT), als „mittelmäßig und dürftig“ ad acta gelegt – und in der Tat, nach einem Moment des Schocks über die Vermischung von Holocaust und Pornographie wurde über das Werk – zumindest im deutschen Sprachraum – der Mantel des Schweigens und möglicherweise auch des Vergessens gebreitet. Da ist es doch sehr interessant und bedenkenswert, dass sich das Slowakische Nationaltheater nun an diesen Text heranwagt. (Der übrigens auch in Warlikowskis (A)pollonia seine Spuren hinterlassen hat.) – Die dramatisierte Version (von Daniel Majling) leidet unter dem Grundproblem des Originaltextes: Der Konnex zwischen sexueller und politischer Perversion bliebt eine reine Behauptung und ist – so wie hier dargestellt – nicht haltbar. Da sich aber müßige Spekulationen angesichts der horrenden Verbrechen verbieten, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Dazu kommt, dass die Bearbeitung auf die Bedürfnisse der Bühne zu wenig Rücksicht nimmt. Die (hervorragenden) Schauspieler liefern unendlich viel Text ab. Allerdings: man kann dieser Übung nur wenig abgewinnen. Wichtig aber bleibt festzuhalten, dass der Roman von Jonathan Littell offenbar ein Nachleben entwickelt auf das man noch ein Auge haben muss.

    Klicperovo Theater Hradec Králové - A. Puschkin: Eugen Onegin. FOTO archiv

    Klicperovo Theater Hradec Králové – A. Puschkin: Eugen Onegin. FOTO PAVEL HEJNÝ

    Kommen wir nun zu zwei Vorstellungen, die ganz von der eigenen Logik ihrer Regisseure bestimmt waren. Da war die eigenartige Interpretation von Puschkins Eugen Onegin (ohne Musik, ohne Tschaikowski) von Martin Kukučka und Lukáš Trpišovský zu sehen. Eigentlich waren es zwei Stücke: Etwas vage – wie durch einen Weichzeichner betrachtet – in der ersten Hälfte des Abends, sehr konkret, sehr packend dann die zweite Hälfte. Auch hier wurde gut Theater gespielt, allein es bleibt doch die schwer zu beantwortende Frage offen, was die Regie in dieser Inszenierung bei Puschkin eigentlich gesucht hat?

    Immer stark in ihrer Bildfindung ist das Duo Jan Mikulášek und Dora Viceníková: So auch diesmal in ihrer Produktion: Požitkáři / Hedonists. Die Etüde zum Thema Tod und Vergänglichkeit bliebt in vielem rätselhaft, allerdings: Man lässt sich als Zuseher von diesem Regieduo sehr gerne in dieses Traumland (ein eleganter Transitraum zwischen hier und dort, Leben und Tod) mitnehmen. Gerade bei den beiden letztgenannte Inszenierungen spürt man (als Ausländer!) deutlich und durchaus auch dankbar, dass hier Saiten angeschlagen werden, die offenbar ganz spezielle tschechische Tonlagen zum Klingen bringen.

    Slovácké Theater - B. Brecht: Kleinbürgerhochzeit. FOTO archiv

    Slovácké Theater Uherské Hradiště – B. Brecht: Kleinbürgerhochzeit. FOTO archiv

    Das spürt man auch bei den kleineren Produktionen, die aus der lokalen Tradition herkommen, die kaum „reisefähig“ sind, dafür aber das große Plus der Originalität und Einzigartigkeit haben: Bertolt Brechts Kleinbürgerhochzeit ist ein Freibrief für höheren Klamauk jeder Art. Jede Kleinstadt hat ihre Hölle. Hier muss man sich mit eigenem Zutun bewähren und dem Slovácké Theater aus Uherské Hradištĕ ist das auch gelungen.

    Für die Freunde der kleinen Form (der Autor dieser Zeilen zählt sich unbedingt dazu) sind deshalb Produktionen wie etwa O hezkých věcech, které zažíváme/The nice things we experience von Jan Frič eine besondere Freude. Es ist eine Collage guter Einfälle, eine kleine kritische Revue – egal, wie man es nennt, es ist vor allem das reine Vergnügen, den fünf jungen Herren auf der Bühne zuzusehen. Sie können spielen, sie können singen, sie können Pointen präsentieren. Sie entlassen das Publikum amüsiert und beglückt – was man ja wahrlich nicht von jeder Vorstellung behaupten kann.

    Depo. FOTO archiv

    Depo. FOTO archiv

    Das Theaterfestival in Pilsen hat mit dem schönen alten Stadttheater (typisches k.u.k. Flair inklusive), dem neuen Theaterbau, der sich hervorragend bewährt, einer weiteren Bühne und dem Depo am Rande der Innenstadt mehrere Spielstätten zur Verfügung. Pilsen ist nicht das große, teure Festival – und kann es auch nicht sein, aber Jan Burian und seinem Team ist es auch in diesem Jahr gelungen, es zu einem Fest für echte Theaterliebhaber zu machen, mit der richtigen Mischung aus großer und kleiner Form, Lokalem und Internationalem, sehr abwechslungsreich und immer informativ.

    September 2015

    Georg Dox

    author finished the University of Vienna (slavonic studies and art history). Started as an art-critic, wrote about literature and theatre. Since 1980 worked for den Austrian Television (ORF), for more than 17 years as correspondent in Moscow. Now retire write for Austrian newspapers, mainly about literature and theatre in Eastern Europe.  

    /Text was written for an Austrian newspaper but it is not published yet./

    • Autor:
    • Publikováno: 21. září 2015

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